transit room

Die Emanzipation des Gräuschs


Jazz ist nicht gleich Jazz, und was die Jungen gerade machen, besonders wenn sie aus Berlin kommen, klingt schon wieder ganz anders als früher und hat plötzlich mit der Gegenwart zu tun. Man kann es zwar noch als „Jazz“ einordnen, im Grunde bezeichnet dieses Label aber nur den offenen Raum zwischen Experiment und Standard, eine Vielfalt von Styles und Sounds, die sich unter dem Nenner „Jazz“ mehr als bei anderen Musikrichtungen der Individualität - von Einzelpersonen oder von ganzen Gruppen - verschrieben haben.

Transit Room, eine jung Formation aus Berlin repräsentiert diese Situation perfekt. Mit ihren Grenzgängen zwischen erkennbar jazzigen Strukturen und experimentierfreudigem Aufbruch haben sie auf der diesjährigen Jazzwoche in Burghausen bereits das Sonntagspublikum beim „Next-Generation-Day“ zu wahrem Jubel hingerissen. Diesen Mittwoch kommen sie jetzt ins Passauer Café Museum (Beginn wie immer 20.30 Uhr). Im Moment sind sie zehn Tage mit ihrer frisch gepressten, ersten CD „Gordon Pym“ (Double Moon Records, April 2010) aus der „Jazzthing Next Generation“ Reihe in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs.

„Gestern hat es ganz anders geklungen, als geplant“, sagt Andreas Waelti, Kontrabassist und Gründer der Band diesen Sonntag nach dem ersten Konzert in Leipzig: „Aber das macht nichts. Wir haben nichts dagegen, wenn jedes der kommenden acht Konzert wieder anders klingt.“ Ziel der seit 2006 bestehenden Band ist es eben gerade, verhärtete Muster in ihren Eigenkompositionen, die sämtliche Mitglieder beitragen, aufzubrechen, um auskomponierte Teile wieder für die Improvisation zu öffnen. Transit Room setzen dabei auf ein kollektives, fein abgestimmtes Patchwork von Klängen, deren Miniaturen sie immer wieder gekonnt neu einfädeln und vernähen. Man weiß beim ersten Hören nicht sofort, wo sie im nächsten Moment anknüpfen werden, welchen Ausgang ihres Durchgangsraums sie anpeilen. Dabei wird man aber eher selten vor den Kopf gestoßen, sondern freundlichst untergehakt und kurzerhand mitgenommen.

Es bleibt spannend: harte, metallische Schläge der E-Gitarre (Samuel Halscheidt) treffen auf weit ausholende, bisweilen abenteuerlich rasende Klanggebilde am Vibraphon von Karl Ivar Refseth. Dazwischen erkundet Samuel Blaser die Artikulationsfähigkeit seiner Posaune bis ins Detail, Pierre Borel geht am Sax neben ihm mit einem Hauchen, Zwitschern und Kreischen ab ins Freie. Intelligent wandelt darunter Waeltis abwechslungsreicher Bass und das variable Schlagzeug von Tobias Backhaus, durchsetzt von der „joyful noise with toys“ als weiterem Element in diesem „Salat für die Gehörschnecken“, wie die Slogans der Band es nennen. Unablässig proben Transit Room die Emanzipation des Geräuschs zum stilbildenden Element, ohne an Anhörbarkeit zu verlieren. Sie dürften damit für alte Checker genauso viele Anknüpfungspunkte bieten wie für neugierige Neulinge. (Frank Müller - Passauer Neue Presse, 18.5.2010)