transit room

Erfrischender Durchzug


Berlin hat sich fraglos zu einem wichtigen Treffpunkt für junge Jazzmusiker aus ganz Europa entwickelt. Man nehme zum Beispiel die Formation Transit Room, die zum Auftakt einer neun Konzerte umfassenden Tournee durch die Schweiz und Süddeutschland in der Dampfzentrale Halt machte. Da haben Musiker aus Deutschland, Frankreich, Norwegen und der Schweiz zu einer Koexistenz von EU- und Nicht-EU-Ländern zusammengefunden, die zum Glück alles andere als frei ist von spannenden Reibungsflächen. Spiritus Rector des aufmüpfigen Sextetts ist der helvetische Kontrabassist Andreas Waelti, der in Berlin bereits zahlreiche Kontakte knüpfen konnte. So wirkt er zum Beispiel im Andromeda Mega Express Orchestra mit, in dem unter der Leitung von Daniel Glatzel Jazzer und Klassiker neue Klanglegierungen erforschen. Glatzel wiederum brilliert nun in Waeltis Transit Room als überaus expressiver Tenorsaxofonist mit einem Faible für unkonventionelle, überraschende Ideen. Ihm steht mit Pierre Borel ein Altsaxofonist gegenüber, der aggressiv ausflippen kann und dessen sprunghafte Quirligkeit Erinnerungen an Eric Dolphy weckt.



Gänge wechseln


Der Vibrafonist Karl Ivar Refseth und der Gitarrist Samuel Halscheidt prägen den Sound der Band nachhaltig, sei es durch irisierend-impressionistische Klangflächen, sei es durch wild pulsierende Klangtupfer. Waelti und der Schlagzeuger Tobias Backhaus, dessen fulminantes Spiel dem Wort «prügeln» neue Bedeutungen erschliesst, halten nicht nur den Motor am Laufen, sondern wechseln auch die Gänge – mal gemächlich, mal blitzschnell.



Dampf


Zum Auftakt Ihrer Tournee durch die Schweiz und Süddeutschland machte die junge Truppe Dampf in der Berner Dampfzentrale. Was Transit Room zu einer Band macht, an deren lebendiger Musik man sich kaum satt hören kann, sind nicht in erster Linie solistische Höhenflüge, sondern die Steigerung der Einzelpotenzen durch eine Vielfalt kompositorischer bzw. konzeptioneller Vorgaben. Als mögliche Inspirationsquellen kommen einem z. B. Charles Mingus oder Eric Dolphys visionärer Solitär «Out to Lunch» in den Sinn. Für das Auskosten von Melancholie und das Zelebrieren von Euphorie hat es da ebenso Platz wie für jähe Stimmungsumschwünge. Waeltis Transit Room ist kein steriles Labor, sondern eine Begegnungsstätte, in der akademische Gewieftheit auf anarchistische Spielwut trifft – ein Raum, in dem stetiger Durchzug dafür sorgt, dass keine abgestandene Atmosphäre entsteht. (Tom Gsteiger, Der Bund -  12.9.2007)