transit room

Das Unheimliche lauert hier überall


Ob die Bläser eines Jazzensembles vorne an der Rampe stehen, also die Frontline bilden, in deren Rücken die Rhythmiker postiert sind, oder ob alle Musiker miteinander einen Halbkreis bilden, das ist selbstverständlich nicht nur eine räumliche Frage. Beide Anordnungen stehen für unterschiedliche Modelle des Musizierens. Erstere für das klassische mit einem oder mehreren exponierten Solisten plus continuo. Letztere für die Aufhebung dieser Hierarchie, wie sie der Free Jazz der sechziger Jahre verfocht.

Das vor sechs Jahren in Berlin gegründete deutsch-schweizerisch-österreichische QuintettTransit Room, das jetzt bei der Frankfurter Sommerreihe Jazz im Palmengarten gastierte, formiert sich im Halbkreis: Clemens Salesny am Altsaxofon, der Posaunist Samuel Blaser, Samuel Halscheidt an der Gitarre, der Bassist und Bandinitiator Andreas Waelti sowie der Schlagzeuger Tobias Backhaus. Die Musik ist einem zeitgenössischen Jazz zuzurechnen, der mit der Freien Spielweise undogmatisch umgeht. Die kompositorischen Strukturen sind verschlungen. Kollektive Verwebungen der Stimmen sind an die Stelle des klassischen Solospiels getreten. Hinter jeder Wendung offenbart sich erneut Unvorhersehbares. Manche der kompositorisch ausgefeilten Stücke gehen milde nach vorne weg, bei einem Großteil indes handelt es sich um spannungsreiche Klangszenen. "Gordon Pym" - nach der Hauptfigur des Romans von Edgar Allan Poelautet nicht umsonst der Titel des grandiosen Debütalbums, das 2010 herauskam.

Mit Morricone-Effekten

Die von Samuel Halscheidt geschriebene Nummer "Nonchalance" ist eine klassische Ballade mit einem croonenden Altsaxofon. Und in diesem Falle gibt es dann doch einmal Soli quer durchs Ensemble, bis es am Ende wieder zusammenfindet, unter Morricone-Effekten auf der Gitarre: Auch im Lyrischen lauert hier noch das Unheimliche.

Von ihrer Plattenfirma und einer gemeinsam mit ihr die betreffende CD-Reihe verantwortenden Jazzzeitschrift wird das als "Next Generation" des Jazz apostrophiert. Die nächste Generation macht nichts grundlegend anderes als die vorige: Diese Form des Komponierens und der Spielweise wurde schon in den achtziger Jahren entwickelt. Das schadet allerdings nichts: Schließlich ist die Musik inspiriert und vital. Zeitgenössisch mutet sie nach wie vor an. Einschneidende Umwälzungen, die einen an eine linear verlaufende Fortschrittslinie glauben lassen könnten, sind seither nun einmal nicht mehr gefolgt. (Stefan Michalzik - Frankfurter Rundschau, 06.08.2012)